OX & RE
Meditation, Stoizismus & Gedöns
Breathwork – wenn Atmung zur Arbeit wird
Weshalb Ihr mit Breathwork Eure Atmung völlig neu denken solltet und wie richtiges Atmen sogar besser als Eure Meditation sein kann.
Atmen? Das macht doch jeder!
Ihr alle atmet, OX & RE übrigens auch. Alle paar Sekunden ziehen wir Sauerstoff (und vieles mehr) ein und atmen CO2 (und vieles mehr) wieder aus. Beim Yoga oder bei der Meditation achten wir bei einzelnen Übungen etwas mehr auf die Atmung, das war es eigentlich.
Von wegen! «Breathwork», also «breath» für Atmung und «work» für Arbeit, ist in den letzten Jahren zu einem intensiven Arbeitsfeld der (Neuro-)Wissenschaft geworden. Mit spannenden Einblicken und seriösen Erkenntnissen, wie einfachste Atemübungen Körper, Geist und Wohlbefinden beeinflussen. OX & RE atmen seit Jahren begeistert und bieten mit diesem Artikel einen groben Überblick zum Thema. Einzelne Atemtechniken werden angesprochen, mehr Übungen und weitere Grundlagen gibt’s zukünftig in weiteren Artikeln. Also: Einatmen, ausatmen, und los!
Weshalb Euer Atem Körper und Geist beeinflusst …
Wer sich mit Themen wie Gesundheit, Fitness und Yoga befasst, wird automatisch auf das Thema Atmung stoßen. Auch bei der Meditation nimmt der Atem eine zentrale Rolle ein, da er als Meditationsobjekt permanent verfügbar ist. Doch all dies spielt beim Breathwork keine Rolle. Ihr könnt Yoga, Achtsamkeit und viele Themen dieser Webseite ignorieren und Euch trotzdem ganz sachlich mit dem Thema Atmung beschäftigen.
Für den Einstieg reichen zwei Erkenntnisse völlig aus, um den Zusammenhang zwischen Eurem Atem und dem Zustand von Körper (und Geist) zu verstehen.
- Erkenntnis: Eure Atmung ist ein Spiegelbild Eures Körpers. Wer abends und nachts zur Ruhe kommt, atmet langsamer als im permanenten Stress. Wer Angst spürt, hält nicht nur sprichwörtlich „die Luft an“. Ein erregter Körper mit einem hohen Herzschlag hat auch automatisch eine höhere Atemfrequenz und so weiter.
- Erkenntnis: Versucht willentlich zu beeinflussen, wie Eure Niere oder Euer Darm gerade arbeitet. Oder versucht willentlich, Eure Kopfschmerzen aus dem Schädel zu entfernen. All dies scheitert. Ihr könnt aber bewusst, als eine der wenigen inneren Funktionen des Körpers, Einfluss auf Eure Atmung nehmen. Ihr könnt tiefer einatmen, die Luft anhalten usw.
Der Atem – das steuerbare «Bio-Feedback»
Aus beiden Erkenntnissen könntet Ihr herleiten: «Moment, wenn ich meine Atmung beeinflussen kann und bestimmte Arten von Atmung mit bestimmten Zuständen von Körper und Geist zusammenhängen, kann ich doch auch die beeinflussen, oder?». Die kurze und pauschale Antwort ist: Ja!
Freunde von Yoga und Meditation werden dies ohnehin schon wissen, da die weisen Yogis solche Methoden und Atemtechniken seit Jahrtausenden anwenden. Doch selbst in der «alten Schulmedizin» ist dies nicht gänzlich neu, wenn dem Hyperventilierenden die Papiertüte hingehalten wird, um dem Körper mehr CO2 zuzuführen.
Breathwork ist ein spannender Brückenschlag zwischen altem Wissen und moderner Forschung und deshalb für eine Webseite wie OX & RE ideal. Erst seit wenigen Jahren kommen verlässliche Studien in die renommierten Wissenschaftsmagazine weltweit, die sich mit der Wirkung von Breathwork und seiner Auswirkung auf Gesundheit, Psyche und mehr befassen.
Was sagt denn die Forschung zu Breathwork so?
Heilversprechen für Eure Gesundheit wird es beim Breathwork nicht geben. Dafür ist die Forschung vielleicht noch zu jung, außerdem haben die verkaufsfreudigen Pharmaunternehmen überall ein Wörtchen mitzureden. Trotzdem erscheinen – je nach Übung und Dauer – folgende Lebensbereiche unzertrennlich mit der Atmung verbunden:
- Abbau von Stress
- besserer Fokus
- stärkeres Immunsystem
- bessere Stimmung
Studien in diesen Bereichen sind alle sehr aktuell, das Forschungsfeld ist schließlich ziemlich jung. So präsentiert eine Studie bei Cell Reports Medicine aus dem Jahr 2023, dass bereits eine Routine von fünf Minuten Breathwork pro Tag Einfluss auf die Stimmung und den Abbau von Stress nimmt.
Bemerkenswert bei dieser Studie ist: Parallel wurden Probanden im Bereich Meditation („Vipassana“) beobachtet, ohne eine bestimmte Atemtechnik vorzugeben. Die Gruppe, die Breathwork betrieb (die konkrete Übung gibt’s weiter unten), konnte im Bereich Stress bessere Ergebnisse verzeichnen als die Meditierenden. Diese hatten eher in Bereichen wie Fokus und Klarheit die Nase vorn.
Außerdem lohnt ein Blick in die Meta-Analyse im renommierten Fachmagazin Nature, die Ergebnisse aus verschiedenen kontrollierten Auswertungen zusammenfasst. Auch hier kommt wieder und wieder die positive Wirkung gegen Stress zur Sprache – kurz- und langfristig. Es können sogar einige Sekunden ausreichen, um wieder in eine ruhigere Grundstimmung zu gelangen.
Drei prägende Atemübungen in Kurzform
Ihr fragt Euch jetzt: «Wie genau muss ich denn jetzt atmen, damit es mir etwas bringt?». Das kommt darauf an, was Ihr erreichen wollt. Es gibt zahllose Atemübungen und Atemtechniken, vom Yoga und anderen Traditionen bis zu modernen Protokollen. OX & RE stellen Euch ganz kurz drei Protokolle vor – es gibt Hunderte mehr je nach Zielsetzung.
Breathwork Protokoll 1: Wim Hof Breathing
Für viele Menschen ist Wim Hof der erste Berührungspunkt mit Breathwork überhaupt. Seine Atemtechnik ist nicht revolutionär neu und mit der Tummo-Atmung des Vajrayana-Buddhismus vergleichbar. Es ist eine Hyperventilation, also ein schnelles Ein- und Ausatmen, 20 bis 30 Mal. Hiernach wird im ausgeatmeten Zustand die Luft angehalten – so lange wie es geht und sicher ist. Nach dem erneuten Einatmen haltet Ihr 15 Sekunden ein, atmet aus und wiederholt den ganzen Ablauf zwei- oder dreimal.
Ihr merkt sofort: Die Wim Hof Methode ist eine aktivierende Übung. Manchen Menschen kribbeln schon nach wenigen Sekunden im ersten Durchgang die Hände, durch die Anreicherung von Sauerstoff im Blut. Mehr über den «Iceman» Wim Hof, der Atmung mit Eisbädern (auch ein aktuell spannendes Forschungsgebiet) und Mindset-Übungen verbindet, gibt’s auf seiner Webseite.
Breathwork Protokoll 2: Box Breathing
Box Breathing ist eine der bekanntesten Übungen und auch Teil der erwähnten Studien. Hier teilt man den Atemablauf in vier Phasen ein. Einatmen, Luft anhalten, Ausatmen, Atempause machen. Und jede dieser vier Phasen ist die gleiche Anzahl an Sekunden lang. Man atmet also so etwas wie eine Box, ein Viereck mit vier gleichlangen Kanten. Für Anfänger sind drei Sekunden eine gute «Länge einer Kante», mit etwas mehr Erfahrung und dem Aufbau einer CO2-Toleranz sind fünf bis sechs Sekunden ein guter Richtwert.
Der Box Breath gehört zu den wichtigen Übungen gegen langfristigen Stress. Er soll den Körper in einen ruhigeren Grundzustand bringen, und dies setzt ein regelmäßiges Training über Tage, Wochen und Monate voraus. Da es bereits reicht, wie in der erstgenannten Studie fünf Minuten pro Tag zu üben, lässt sich das Box Breathing gut in den Alltag integrieren.
Breathwork Protokoll 3: Zyklisches Seufzen
Seufzen ist ein grandioses Thema, das garantiert noch seinen eigenen Artikel erhält. Im Rahmen der Atemübungen gibt es mit dem «zyklischen Seufzen» ein spannendes Protokoll. Dies geht so: Tiefes einatmen durch die Nase und kurz halten. Dann noch einmal etwas Luft durch die Nase einziehen (ja, das fällt gar nicht so leicht). Und alles dann kraftvoll und langsam durch den Mund ausatmen. Und für ein paar Durchgänge wiederholen.
Der zyklische Seufzer ist ein tolles Hilfsmittel gegen kurzfristigen Stress. Das Nervensystem schaltet binnen Sekunden in den parasympathischen Modus um und sendet Signale: Bitte beruhigen! Übrigens auch ein praktisches Hilfsmittel, um Seitenstiche beim Sport zu bekämpfen. Mehr zu dieser Übung bald hier oder in den obigen Studien.
Drei goldene Regeln zum Schluss
Zum Abschluss noch drei wichtige Erkenntnisse rund ums Atmen. All diese Themen verdienen einen weiteren Artikel bei OX & RE, der in naher oder ferner Zukunft kommen wird:
- Geatmet wird durch die Nase. Die Nase wärmt die Luft an, hält Erreger draußen und vieles mehr. Viele Probleme beim Atmen (von Schlafapnoe bis zum Asthma) können sich mit dem Wechsel von Mund auf Nase behandeln lassen. Hier verweisen OX & RE gerne auf Patrick McKeown und seine Buteyko-Klinik.
- Geatmet wird in den Bauch, nicht in die Brust. Egal, welche Technik oder Atemübungen Ihr absolviert, Eure Luft gehört weit nach unten, wo die Lunge am weitesten verzweigt ist und der bestmögliche Austausch von Sauerstoff und CO2 stattfinden kann.
- Euer Reflex zu atmen entsteht nicht, weil Euch Sauerstoff fehlt. Das könnt Ihr hervorragend mit einem Oximeter oder einer guten Pulsuhr testen. Selbst nach ein bis zwei Minuten Luft anhalten (z. B. mit Wim Hof) habt Ihr locker noch eine Sauerstoffsättigung des Blutes von 95 %. Der Atemreflex kommt, um CO2 loszuwerden – doch dazu mehr in anderen Artikeln von OX & RE.
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