OX & RE
Meditation, Stoizismus & Gedöns
Im Auto mit Maggie Simpson
Was Ego und Selbst unterscheiden und wer wirklich am Steuer sitzt, wenn Ihr durch Euer Leben geht.
Alles unter Kontrolle
Eigentlich erscheint die Geschichte mit dem Bewusstsein ganz einfach. Ihr habt einen Kopf. In dem Kopf ist ein Gehirn. Das übernimmt eine ganze Menge, z. B. Euer Denken. Und führt Euch mit einer Fülle von Gedanken mal sehr erfolgreich, mal sehr panisch oder ängstlich durchs Leben. Und mit der Zeit, über Jahre und Jahrzehnte hinweg, entsteht eine Identität und ein Selbstbild – schließlich denkt ja kein anderer Mensch genauso, wie man selbst.
Durch Meditation, Yoga oder andere Übungen entstehen erste Zweifel. Das Selbstbild schwankt ein wenig, wenn Ihr merkt, dass Eure Gedanken nicht Euer Selbst sind. Oder dass andere Menschen eine völlig andere Vorstellungen vom eigenen Selbst haben «als man selbst». Eins scheint jedoch offensichtlich: Ich, also dieser Denkapparat in meinem Kopf, ist mein Selbst und macht aus, was ich bin.
In diesem Artikel zeigen Euch OX & RE gerne auf, dass die Wirklichkeit endlos weit hiervon entfernt ist. Und dass ein Begriff wie Ego oder Selbst nicht beliebig austauschbar ist. Was dies mit Eurem Bewusstsein, Eurem Körper und Eurem Denken zu tun hat, kommt jetzt. Musik, bitte!
Jetzt bitte das Simpsons-Intro abspielen
Die meisten Leser von OX & RE kennen «Die Simpsons» und das traditionelle Intro der Serie. In diesem Artikel geht’s um das Baby der Familie, Maggie Simpson. Im Intro der Serie entsteht für ein paar Sekunden (humoresk) der Eindruck, das Baby steuert das Familienfahrzeug. Das Bild zoomt heraus und zeigt dann die Wirklichkeit: Maggie hat nur ein Spielzeug-Lenkrad in der Hand und imitiert die Bewegung der Mutter, die das Auto steuert. Ein visueller Gag eben.
Für diesen Artikel von OX & RE wandeln wir die Situation ein wenig ab. Stellt Euch vor, das Auto fährt autonom (!) und benötigt niemanden, der es steuert. Außerdem solltet Ihr in den Kopf von Baby Maggie eintauchen. Geht das Baby davon aus, das Auto wirklich zu steuern? Oder weiß es, dass es dies nur simuliert und «eigentlich» die Mutter fährt? Für diesen Artikel nehmen wir an: Das Baby glaubt ernsthaft, es steuert das Fahrzeug. Genauso wie wir Menschen glauben, wir steuern unseren Körper und Geist.
Bis zur nächsten Bremsung …
Wenn wir Menschen durch die Welt gehen, haben wir ein ähnliches Gefühl der Steuerung und Kontrolle. Unsere Gedanken sagen: «Hey, da drüben steht der Eiswagen.», und wir setzen uns in Bewegung. Unsere Gedanken sagen: «Was würde ich dem Chef jetzt gerne die Meinung sagen.», und trotzdem halten wir unseren Impuls ein. Ein klares Konzept von Kontrolle. Wir denken, wir analysieren, und setzen anschließend das in der Welt um, worauf wir uns verständigt haben.
Genau dies macht Maggie auch am Steuer. Eine Rechtskurve kommt und sie lenkt rechts. Eine Linkskurve kommt und sie lenkt links. Sie sieht und analysiert die Situation, trifft eine Entscheidung und das Auto bewegt sich entsprechend. Um im Bewusstsein von Maggie dürfte ankommen: Hey, ICH mache das!
Maggie hat kein Gaspedal, keine Bremse, keinen Zugriff auf Beleuchtung oder eine Verständnis für die Tankanzeige. Was so lange egal ist, wie der Tank voll ist oder nicht gebremst werden muss. Es ist einfach, einen Eindruck von Kontrolle von bekommen, wenn es nicht wirklich etwas zu kontrollieren gibt. Denn EIGENTLICH fährt das Auto ja autonom, die eigene Steuerung ist ein Fehleindruck.
Auf allen Ebenen autonom unterwegs
Im Alltag merken wir meist nicht, wenn das Gehirn im Autopilot rattert und Gedanken generiert werden, die wir zu schnell als Selbstbild oder Identität annehmen. Es sind gerade die Momente der fehlenden Kontrolle, wo unser Ego, das uns sonst so häufig gut (und schlecht) berät, nichts mehr tun kann. Wir verlieren hierdurch nicht unser Selbst, wir sind ja schließlich noch wer, aber das Ego als solches stößt in unserem Leben wieder und wieder an seine Grenzen.
Beispiele gefällig? Hier kommen sie!
Körper: Habt Ihr schonmal probiert, alleine durch Kraft Eurer Gedanken eine Grippe zu beenden? Euer Fieber zu senken oder Durchfälle zu stoppen? Wann immer es zu einer Fehlfunktion oder Krankheit in Eurem Körper kommt, sitzt Ihr nicht mehr am Steuer. Euer Ego rattert dann meist weiterhin und erzeugt Panik, wie sich das Ganze mit der Zeit entwickelt oder wie schlecht es einem geht. Nur dies spontan ändern, alleine durch die Kraft des Denkens, könnt Ihr nicht.
Geist: Habt Ihr schonmal versucht, (negative) Gedanken aus Eurem Kopf zu entfernen, die wieder und wieder aufkommen. Ja, durch Meditation, Yoga oder Achtsamkeit könnt Ihr eine Distanzierung hiervon lernen. Aber als Person zu sagen: Von der nächsten Sekunde an denke ich xyz nicht mehr, und dies wird immer so bleiben – funktioniert halt nicht.
Emotionen: Das Gleiche gilt auf emotionaler Ebene. Ihr könnt an Eurer emotionalen Regulation arbeiten und Euch durch Achtsamkeit bewusst machen, was innerlich in Euch wühlt. Aber all dies sorgt spätestens in Extremsituationen nicht für eine Auflösung der Emotion. Wut bei einer starken Ungerechtigkeit, Trauer beim Verlust eines geliebten Menschen. Bis vor Kurzem hatte Euer Ego das Steuer in der Hand, plötzlich «seid Ihr nicht mehr Ihr selbst».
Bewusstsein: Eine Reihe von Euch werden die Situation kennen, in Ohnmacht zu fallen. Ihr seid gerade noch bei Bewusstsein und plötzlich ist es weg. Als Schutzmechanismus, als Antwort auf eine Phobie oder aus völlig unerklärlichen Gründen. Ihr könnt es nicht verhindern, so sehr es Euer Ego auch möchte. Das Ding, was gegensteuern möchte, wird einfach ausgeschaltet.
Was heißt das jetzt für Ego und Selbst?
Alle genannten Beispiele (und viele mehr) sollen Euch eine Sache verdeutlichen, die im alltäglichen Denken schnell untergeht:
Euer Ego, diese innere Stimme mit all Ihren Wünschen und Bedürfnissen und Trash Talk über die eigene Person, ist nicht Euer Selbst. Sie erweckt aber durchweg den Eindruck, dass sie es ist. Unsere Identifikation mit der inneren Stimme fühlt sich manchmal so selbstverständlich an, dass man sie nicht mehr hinterfragt.
Doch Euer Selbst ist deutlich. Euer Selbst liegt jenseits des Bewusstseins und ist eine verdammt intelligente Einheit. Ja, Ihr mögt Euch darüber ärgern, Grippe zu bekommen oder in Ohnmacht zu fallen oder schon wieder in Tränen auszubrechen. All dies hat jedoch Sinn. «Etwas in Euch» entscheidet, dass es Zeit ist, die Temperatur zu erhöhen, Schleim im Hals zu bilden und diesen Virus auszutreiben, bevor das gesamte System ernsthaft erkrankt. Egal, was das Ego sagt. Zum Glück!
Solange alles gut läuft, reicht die Illusion, das Steuer in der Hand zu halten. Die wirklich großen Entscheidungen rundum Euer Selbst werden jedoch auf einer Ebene getroffen, die Euer Ego nicht beeinflussen kann. Erneut: Zum Glück!
Blick unter die Haube
Ja, wenn Maggie Simpson größer wird, wird sie vielleicht verstehen, wer wirklich das Auto gesteuert hat. Dass ihr Ego als Baby Dinge vielleicht falsch wahrgenommen hat und es die erwachsene Person neben ihr war, die das Steuer in der Hand hatte. Oder sie schaut unter die Haube und sieht, dass das Auto tatsächlich autonom fährt.
Ein solcher Blick unter die Haube ist bei Eurem Bewusstsein schwieriger. Und auch nicht zwingend nötig, wenn Ihr akzeptiert, dass diese Stimme in Eurem Kopf nicht die Steuereinheit oder das Selbst ist, was es so oft behauptet zu sein. Um trotzdem ein wenig mehr über das Selbstbild zu erfahren und weniger häufig vom Ruckeln unter der Haube überrascht zu werden, gibt es Möglichkeiten. Meditation und Achtsamkeit sind hier für Euer Leben der ideale Einstieg.
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